Dass wir während unserer Reise für 5 Wochen getrennt sein werden, hätten wir uns zu Beginn nicht im Traum vorstellen können. Dass wir diese lange, aber irgendwie auch kurze Zeit so gut überstanden haben und sogar als positives und bereicherndes Erlebnis werten, hat mehrere Gründe. Wie war es ausserdem für mich, über einen Monat aus dem Digitalen-Nomaden-Alltag zu entfliehen?

Ein Erfahrungsbericht von Manuel:

Anfang Dezember verabschiedeten sich Daniela und ich am Flughafen von San Jose. Aus familiären Gründen wollte ich Weihnachten zu Hause bei der Familie verbringen. Zudem gab es mir die Möglichkeit, meine Arbeitskollegen und Freunde zu treffen, diverse Termine wahrzunehmen und sonstige Erledigungen zu machen. Während dem Heimflug hatte ich gemischte Gefühle. Einerseits freute ich mich auf Familie und Freunde, auf die Adventszeit und Schweizer Essen. Andererseits hatte ich das Gefühl, Daniela im Stich zu lassen und einen unschönen Einschnitt in unser Abenteuer zu machen – wo ich mir doch so sehr gewünscht hätte, das Projekt gemeinsam durchzuziehen und abzuschliessen. Der Entscheid, nach Hause zu gehen war aber bereits im September gefällt und es gab kein zurück mehr. 14 Stunden nach Abflug in Costa Rica landete ich in der kalten Schweiz. Nach 10 Monaten reisen, arbeiten an den unterschiedlichsten Orten, eintauchen in fremde Kulturen, kennenlernen von spannenden Menschen – alles gemeinsam mit Daniela. Ich hatte einen so gefüllten Rucksack voll mit Erlebnissen und Eindrücken, von denen ich noch lange zehren kann. Und dann, PÄNG, bin ich plötzlich zu Hause. Im Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Frau Müller ist noch Kassierin beim Volg, der Busfahrer ist der gleiche wie vor 10 Jahren und im Radio Munot wird in den Mittagsnews von der Gemeindeversammlung in Beggingen berichtet. Die geplante Sanierung vom Dorfbrunnen wird angenommen. Einzig der Hirschen im Dorf hat neue Besitzer, der Tunnelbau nach Schaffhausen ist weit fortgeschritten und in Schaffhausen hat eine Burger-King-Filiale eröffnet. Es fühlt sich alles so vertraut aber doch so fremd an. Ich bin noch keine 24 Stunden zu Hause und habe doch das Gefühl, die ganze Reise wäre nur ein Traum gewesen – sie ist so weit weg. Bei Gesprächen mit Kollegen kann ich zwar erzählen, wie toll, ereignisreich und anspruchsvoll die vergangenen 10 Monate waren, so richtig verstehen kann es aber niemand – ich kann es auch unmöglich in Worte fassen. Die Freude, die bekannten Gesichter wieder zu sehen, war riesig. Beim zweiten mal sehen, war es bereits wieder Alltag und man fachsimpelte über den neusten Transfer vom FC Schaffhausen oder wunderte sich darüber, wieso nun schon zum zweiten mal am Abend das gleiche Lied in der Bar gespielt wird. Fast jeden Tag hatte ich mehrere Termine wahrzunehmen. Nach Monaten ohne Einträge in der Agenda war dies eine der grössten Umstellungen. Es hat mich innerlich gestresst, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Ort zu sein – obwohl die meisten Termine freudige Ereignisse waren und nicht etwa ein Antraben beim Richter.

Es war wunderschön, Familie und mein kleines, 8-monatiges Göttimeitli zu sehen. Es war wichtig, Tage im Büro zu verbringen, mit den Arbeitskollegen von Angesicht zu Angesicht über Projekte und Persönliches zu sprechen. Es tat extrem gut, mit langjährigen Freunden Badminton zu spielen, Fussball zu schauen oder beim Feierabendbier über Männerthemen zu sprechen – ganz ohne Freundin. Es machte Spass, zwei, drei Trainings zu besuchen und den Puls mal wieder so richtig in die Höhe zu treiben. Aber irgendwie fühlte ich mich wie in einer Blase. Ich wusste, dass unsere Reise noch nicht zu Ende war und ich in ein paar Wochen wieder zurück sein werde. Fünf Wochen waren lang. Ich habe mich dagegen gewehrt, zu sehr in den Alltag einzutauchen und den gewohnten Strukturen nachzugehen. Ich wollte mich nicht zu heimisch fühlen. Das ist mir nicht immer gelungen, zu vertraut war das Leben in der Heimat.

Die Zeit in der Schweiz hat mich auch nochmals schätzen gelernt, wie wertvoll die Reise ist und wie privilegiert wir sind, während dem Kennenlernen von fremden Ländern gleichzeitig unserem Beruf nachzugehen. Dass ich in einem Büro tendenziell weniger effizient arbeite (was an der Natur der Sache liegt), wurde mir zuhause nochmals bewusst. Dies hat aber natürlich auch logische Gründe. Beim Arbeiten in einem Coworking Space kann man sich voll und ganz auf seine Arbeit konzentrieren, ohne Druckerprobleme zu lösen, ohne Telefonanrufe, die einem aus der Konzentration holen und ohne Gespräche mit den Bürokollegen.

Ob Daniela und ich wieder an unsere schöne Zeit vor dem Break anknüpfen können, wussten wir nicht. Wir hofften sehr, dass diese Pause kein zu grosser Einschnitt in unser gemeinsames Projekt war. Was wir aber während der fünf Wochen feststellten: die Weltreise hat uns so sehr zusammengeschweisst, wie wir das vor Reiseantritt niemals erwartet und für möglich gehalten hätten. Es hat sich eine extrem starke Vertrautheit und Routine zwischen uns entwickelt. Trotz mehrjähriger Partnerschaft haben wir nun gemerkt, dass wir uns perfekt ergänzen und uns die erlebten schönen und schwierigen Momente auf der Reise für immer prägen werden. Wir sehnten uns nach dem 9. Januar. Der Tag, an dem wir uns wieder in die Arme schliessen konnten. Der erneute Abschied von Kollegen und Familien war, obwohl nochmals eine 4 monatige Reise bevorstand, eher so, als ginge ich eine Woche in die Ferien. Aber das war total in Ordnung für mich. Die Zeit zu Hause war wertvoll, dass Daniela und ich währenddessen Abstand voneinander gewannen, ebenfalls. So schön das Leben in der Schweiz und die Vertrautheit mit Familie und Freunden ist; die Vorfreude aufeinander auf und die noch bevorstehenden Reisemonate waren unendlich gross und der Moment, als Daniela mit dem „Welcome to Santiago“ Schild beim Empfangsterminal stand, ein riesiges Glücksgefühl.

Wir sind bereit, die kommenden Monate nochmals in vollen Zügen zu geniessen. Auf geht’s!

(Ps: während ich in den 10 Monaten auf Reisen geschätzt 10 mal niesen musste, waren es während meinen 5 Wochen in der Schweiz gefühlt 10’000 mal – was nicht gerade für meine Erträglichkeit des nasskalten Klimas in der Schweiz spricht 😉 )