Obwohl wir nur einen kleinen Teil von Südamerika bereist haben, konnten wir dennoch die eine oder andere Eigenenheit der sympathischen Latinos ausmachen.

Diese Eindrücke stimmten zudem mit den Erlebnissen von Manuels viermonatiger Reise durch sechs Länder Südamerikas im Jahr 2014 überein. Die Menschen, ihre Liebe zur Musik und Tanz, wie sie ihre Mahlzeiten feiern, mit Hingabe Empanadas backen und ihre Naturschönheiten bewundern, ist uns sehr ans Herz gewachsen. Auch wenn wir uns in Südamerika wie in fast keinem anderen Land auf unserer Reise gedulden, Toleranz und Verständnis zeigen mussten, haben wir uns schnell heimisch gefühlt. Sprachliche Barrieren verhinderten leider tiefgründige Gespräche, öfters konnten wir durch eigene Beobachtungen an Orten, wo wir länger verweilten aber vieles verstehen und so besser nachvollziehen.

Einige Eigenheiten, die uns während den über vier Monaten in Südamerika und sogar mehr als sechs Monaten in Lateinamerika (inkl. Costa Rica) als Schweizer bzw. Europäer aufgefallen sind:

1. Essen: Saftiges Fleisch, EISgekühlter Wein, Bier in der Literflasche und länderspezifische Empanadas

Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden, gegessen haben wir aber in allen von uns besuchten südamerikanischen Ländern immer sehr gut. Obwohl wir in Chile hauptsächlich selber kochten und so die grosse Vielfalt im Supermarkt schätzen lernten, gönnten wir uns dennoch ab und zu auch mal eine deftige Empanada – eine mit Fleisch oder Gemüse gefüllte Käse-Teigtasche. Beide Länder, Argentinien und Chile, bezeichnen die Empanada als ihr Landes-Hauptgericht. Aber Achtung, während in Argentinien meistens drei bis vier Empanadas zum Mittagessen bestellt werden, reicht in Chile eine völlig aus – die Grösse und Teigmasse unterscheidet sich nämlich stark.

In Argentinien wird viel Fleisch gegessen – sogar Empanadas erhält man hier nur selten in vegetarischer Form. Im Restaurant gibt es Fleisch in allen möglichen Variationen, aber immer deftig, dick und mit ordentlich Fett auf dem Grill zubereitet. In Uruguay bekommt der Grill sogar nochmals eine ganz spezielle Bedeutung und die Restaurants heissen da meistens «Parilla» – das Barbeque. Würste und Fleisch vom Rind und Schwein werden über dem offenen Feuer zur Perfektion gegrillt und bekommen so einen leckeren rauchigen Geschmack. Nachdem wir in Costa Rica fast komplett auf Fleisch verzichteten, war die Umstellung auf fast ausschliesslich Fleisch in Argentinien und Uruguay gross – besonders, wenn wir aufgrund einer fehlenden Küche im Hotel oder Airbnb oft auswärts essen gingen.

Fleischstuck

Die Latinos teilen gerne beim essen, so dass nicht nur oft Tapas bestellt werden, sondern auch Bier in Literflasche angeboten wird.

1 Liter Flasche Bier

Der Rotwein wird in Argentinien in den heissen Sommermonaten grundsätzlich warm serviert. Um diesen zu kühlen, bestellen die Argentinier dann gerne ein Glas mit Eiswürfel, die sie ohne mit der Wimper zu zucken in ihren köstlichen Wein plumpsen lassen und das rötliche Traubenwasser dann so trinken, als wäre es eine erfrischende Limonade. Natürlich gilt das nicht für die teuren Weine in den Bodegas, die wir in Cafayate besucht haben.

Wein mit Eiswürfel

2. Aktiv zur späten Stunde

Die Latinos und die Argentinier im Speziellen sind bekannt dafür, dass sie erst zur späten Stunde essen; egal ob am Wochenende oder ob nächstentags ein anstrengender Arbeitstag bevorsteht. Dies bedeutet, dass die Restaurants grundsätzlich erst um 20 Uhr öffnen und man als Tourist bis mindestens 21.30 Uhr alleine im Saal sitzt. Wer sich dann denkt, dass wohl mit dem Essen hier etwas nicht stimmen kann, wird sich um 23 Uhr die Augen reiben. Dann spielt an vielen Orten Musik, die Gauchos schwingen ihre Stiefel und Frauen tanzen in traditionellen Kleidern. Vor allem in den Peñas, welche hauptsächlich in Salta im Norden Argentiniens  zu finden sind, gehört Folklore auch unter der Woche zum Standardprogramm. Zu der Zeit, wenn wir normalerweise Abendessen, finden sich in Argentinien nur gut besetzte Cafés. Hier ist es um 18.00 Uhr nämlich Zeit für Kaffee und Kuchen.

Pena in Salta

Wer gerne ausgeht, sollte sich darauf einstellen, dass es vor 2.00 Uhr nachts nichts bringt auch nur einen Fuss in den Club zu setzen. Fangen dann die Argentinier erst um 10 Uhr Vormittags an zu arbeiten? Wir haben nachgefragt: gearbeitet wird trotzdem ganz normal ab 8.00 Uhr morgens, dafür aber öfters auch mal Siesta eingelegt.

3. Siesta – Einkaufen soll geplant sein

Will man nachmittags einkaufen gehen oder einfach mal schnell zum Coiffeur, sollten die Öffnungszeiten zuerst genausten überprüft werden. Der Grossteil der Dienstleister schliesst nämlich seine Türen am Nachmittag – nicht selten bis 17.00 Uhr. Meistens sind die Städte dann ziemlich ausgestorben (ausser Buenos Aires) und so kann man gemütlich durch die Strassen schlendern – der dringend nötige Haarschnitt, sollte aber besser auf die Abendstunden verlegt werden.

Coiffeur

4. Ampeln für Fussgänger: Fehlanzeige

Wer in Argentinien oder Uruguay sicher über die Strasse gehen möchte, muss seine Augen über all haben. Laufen kann man grundsätzlich, wenn die Autos «rot» haben. Dafür muss man die Ampeln etwas erhöht beachten. Dass die Autos, die gerade «grün» haben, aber auch auf deine Strasse abbiegen könnten, haben wir schnell begriffen und so war eine Strassenüberquerung des Öfteren mit etwas Nervenkitzel verbunden. Fussgängern wird grundsätzlich nie Vortritt gewährt und es sollten ein paar Minuten Zeit eingerechnet werden, eine Strasse mit Fussgängerstreifen zu überqueren. Ausserdem wurden wir in unserem Mietauto dann auch ein paar Mal von hinten angehupt und von Fussgängern verwirrt durch die Frontscheibe angestarrt, wenn wir mal wieder bei einem Fussgängerstreifen anhielten und die Passanten freundlich rüberwinkten.

5. Sprachliche Hindernisse überschreiten – Englisch nur mit Händen und Füssen möglich

Nach gut sechs Monaten in spanischsprechenden Ländern verstehen wir natürlich so einiges und können ganz einfache Konversationen führen. Vor allem in Hotels, Restaurants und Supermärkten werden wir meistens die gleichen Sachen gefragt und wissen mittlerweile nicht nur was sie bedeuten, sondern auch wie wir darauf antworten können. Zum Beispiel folgt vor jeder Zahlung im Laden die Frage nach dem RUT. RUT steht für Rol Único Tributario, eine ID für natürliche und juristische Personen, ähnlich der AHV-Nummer in der Schweiz. Ein einfaches «no tengo» reicht aber, damit die Verkäuferinnen einerseits ihre Spezial-Kombination eingeben und andererseits so auch gleich verstehen, dass man nicht aus einem südamerikanisch Land stammt. Wir sind mit unserem Grundvokabular die ganze Zeit relativ locker durchgekommen, haben uns aber öfters gewünscht, wir könnten mehr verstehen oder ein Gespräch mit den Einheimischen führen. Englisch hingegen klappt nur selten. Vor allem die jüngere Generation versteht kaum, was «Thank You» heisst und auch wenn man auf Spanisch sagt, dass wir die Sprache nur ein bisschen verstehen und sprechen, wird darüber hinweggehört und einfach im gleichen Tempo weitergequaselt.

6. Geld abheben – eine Kunst die nur wenige beherrschen

Wer gerne Geld vom Bankomat beziehen möchte, braucht sehr viel Glück und Geschick. Und Geduld. Viel Geduld. Egal in welchen Land wir waren, Geld abzuheben war immer einer unserer nervenaufreibensten Momente. In Chile wollte unsere Post Finance Karte einfach grundsätzlich nicht funktionieren und so mussten wir jeweils lange nach der für uns einzigen funktionierende Bank suchen – der Banco Estado* (Maximalbezug beträgt 250 CHF). Nicht immer war auf den ersten Blick ersichtlich, dass es sich bei der Bank auch wirklich um eine Bank handelt:

Banco Estado

*Einschub zur Banco Estado Santiago de Chile: Der Schock sass tief, als wir morgens in der Filiale Geld abhoben und Nachmittags nochmals vorbeischlenderten und alles abgesperrt war, Polizisten in weissen Gewändern herumliefen und wir Einschusslöcher im Glas entdeckten. Bewaffneter Raubüberfall am helllichten Tag, kurz nachdem wir dort waren. Glück gehabt! Video vom Überfall am 17.01.2019

Schon in Costa Rica sind uns die langen Schlangen vor den Bankomaten aufgefallen. In Argentinien ist die Limite für Einheimische so tief, dass sie wenn möglich jeden Tag zum Bankomaten gehen und den Höchstbetrag abheben – bezahlt wird nämlich noch fast alles in Bar – auch Rechnungen wie Strom und Wasser. Zudem gab es eine Zeit, als viele Personen Opfer von Kidnapping wurden, zum   Bankomaten geführt wurden und da den Höchstbetrag abheben mussten. Um diesem Verbrechen entgegen zu wirken, wurden die Limiten ebenfalls heruntergesetzt. Das Resultat: Menschenschlangen und 15 Minuten warten bei einem Bancomat. In Uruguay hingegen trafen wir lediglich auf Automaten, wo mit Kreditkarte Geld bezogen werden konnte. Rein aus Neugierde und der Vorahnung auf hohe Kreditkartengebühren haben wir es beim zweiten Bezug dennoch mit der Post-Karte probiert und tatsächlich Geld beziehen können, auch wenn die Auswahl «Mastercard International» eigentlich nicht gepasst hatte. Probieren und Geduld kann sich also auszahlen  wortwörtlich. Oft wussten wir auch nicht, wie hoch die Limite für den Bezug war. So verbrachten wir nicht selten eine gefühlte Ewigkeit vor dem Automaten, navigierten auf gut Glück durch die spanischen Anweisungen auf dem Display und versuchten, einen möglichst hohen Betrag abzuheben – wobei dies jeweils ca. 10 Anläufe erforderte.

Die höchsten Noten erhielten wir in Chile und Uruguay, da spuckt der Automat 20’000er bzw. 1000er Noten aus, was 30 CHF entspricht. In Argentinien waren es lediglich 500 Pesos bzw. 13 CHF, welche in den Läden und Restaurants meist nur ungern entgegengenommen werden. Übrigens, als Manuel vor 5 Jahren in Argentinien war, spuckte der Automat lediglich 100er Noten aus, die hatten damals aber den Wert von 10 CHF.

7. Mate Tee – Wie du einen Touristen entlarvst

Um in Urugauy und Argentinien Touristen von Einheimischen zu unterscheiden, reicht ein kurzer Blick. Egal zu welcher Uhrzeit und in welcher Situation, die Thermoskanne, der Becher und der Silberlöffel hat der Argentinier und Uru grundsätzlich immer dabei. Mit heissem Wasser werden die getrockneten, kleingeschnittenen Mate-Blätter aufgegossen und so über den ganzen Tag getrunken – egal ob am Pool, im Restaurant, am Strassenrand oder beim Spaziergang. Vor allem in Parks sieht man niemanden, wirklich niemanden, ohne Thermoskanne.

Über die gesundheitlichen Vor- und Nachteile wird heftig diskutiert, die Latinos scheint das aber nicht zu beschäftigen. Schon die Ureinwohner haben dieses Aufgussgetränk liebend gerne getrunken. Wir haben es ebenfalls probiert und trotz des bitteren Geschmacks mögen wir den Gedanken, dass der Tee die Menschen zusammenbringt und sie lieber Tee trinkend im Park sitzen, als mit Bierdosen am Bahnhof herumlungern.

8. Lange Wartezeiten – schlechte Kommunikation

Toleranz, Geduld und viel Verständnis mussten wir vor allem auf unserer Tour zur Salzwüste aufbringen. Dass in Bolivien alles ein bisschen anders läuft, wusste Manuel bereits von seinen früheren Reiseerfahrungen. Bei Problemen wird lieber nicht kommuniziert, anstatt das Gesicht zu verlieren. Mit einem Lächeln wird einem versichert, dass «alles schon gut kommt». Das gilt es dann einfach zu akzeptieren und auf das Beste zu hoffen. Dennoch ist das lateinamerikanische Volk sehr freundlich und hilfsbereit. Trotz sprachlichen Barrieren haben wir uns immer sicher und wohl gefühlt.

9. Andere Länder andere Sitte – Umständlich, unnötig, kompliziert

Dass in anderen Ländern nicht alles, für unser Verständnis, so reibungslos läuft wie in der Schweiz, wussten wir natürlich schon vor der grossen Reise. Trotzdem müssen wir immer wieder lachen (das können wir mittlerweile), wenn wir an eine Situation geraten, die unnötig kompliziert gemacht wird. Als wir zum Beispiel mit unserem Bus-Ticket auf dem Handy beim Schalter im Busterminal von Salta nach einem Ausdruck fragten (denn Mobile-Tickets werden, weiss der Geier wieso, im Bus nicht akzeptiert) meinte die Dame trocken, wir sollen fünf Strassen hochlaufen und da beim Spital fragen, ob die uns das Ticket ausdrucken können. Sie hätten nämlich keine Möglichkeit, zu drucken (verkauften aber Tickets am Schalter!?). Da wir weder Lust noch Zeit hatten, spätnachts mit all unserem Gepäck durch eine argentinische Grossstadt zu laufen, um irgendwo einen Drucker zu suchen, wurden wir etwas energischer und siehe da, nach einem kleinen Aufpreis (ein paar Rappen), war das Drucken dann plötzlich möglich.

Dass in Argentinien plötzlich Trinkgeld für die Kofferausgabe verlangt wird, nachdem wir in Chile einige (Nacht-)Busse genommen haben und das Gepäck jeweils von einem freundlichen Herrn ohne Zögern ein- und ausgeladen wurde. In Argentinien wurde uns nach der ersten Busfahrt das Gepäck vor die Füsse geschmissen, da wir aufgrund der Grenzüberquerung noch keine argentinische Pesos besassen.

Dass man unsere Kreditkarte in einem grossen Kleidergeschäft nicht annehmen konnte, weil das Gerät mit Pin-Eingabe-Möglichkeit eben für andere Karten gedacht ist.

Dass man darauf bei Starbucks unsere 500er Note (enspricht 13 CHF) nicht annehmen wollte, weil diese zu gross ist.

Dass es in einem der grössten Supermärkte in Buenos Aires keine Möglichkeit gab, Säcke zu kaufen und wir glücklicherweise leere Weinkisten entdeckten, wo wir den Wocheneinkauf reinpacken konnten. Wobei wir den Verzicht auf Plastiksäcke natürlich sehr begrüssen. Dass sie uns bei der Frage nach Tüten aber anschaute als hätten wir gerade nach einem Elefanten gefragt, der unsere Sachen heimtragen soll, war trotzdem lustig.

Ausserdem muss hier beim Kauf mit Kreditkarte stets viel Zeit eingerechnet werden. UND immer den Pass dabei haben! Karten- und Passnummer werden von Hand in den Computer eingetippt und ganz genau überprüft. Auch wenn man nur einen Kaugummi und eine Milch kauft.

10. Unterschiedliche Preise: Argentinischer Hauswein für 2.60 CHF und Kaffee für 5.50 in Uruguay

Lateinamerika ist grundsätzlich optimal, um mit kleinem Budget zu reisen. Auch wir sind froh, dass wir uns die günstigen Länder für den Schluss aufgehoben haben wären wir in umgekehrter Reise-Reihenfolge wohl frustriert in den teuren Restaurants und vor den Unterkunft-Buchungstools in den USA, Japan und co. gesessen. Aber auch hier unterscheiden sich die Preise enorm. Während Costa Rica und Uruguay zu den mittelteuren Länder unserer Reise gehören, war Chile und Argentinien sehr günstig. In beiden Ländern konnten wir beim selber kochen enorm sparen und auch die Restaurant-Besuche waren vor allem in Argentinien sehr günstig. In Salta haben wir teilweise für knapp 15 CHF pro Person eine Vorspeise, ein saftiges riesiges Stück Fleisch  mit Beilage, eine Flasche Wasser und eine Flasche Rotwein bekommen. Auch Buenos Aires ist enorm günstig, obwohl die Stadt mit seinen Expats und modernen Stadtteilen mit den Millionenstädten weltweit problemlos mithalten kann. Einzig beim Shoppen haben wir uns schwer getan, schöne und preiswerte Kleidung zu finden. Während wir auf der ganzen Reise fast nie einkaufen mussten, galt es vor der Kreuzfahrt ein, zwei schöne Outfits zu besorgen – nach vielen Stunden der Suche zum Glück erfolgreich.

Uruguay hat uns beim Kurzbesuch jedoch mit seinen Preisen schon fast geschockt. Vergleichbar mit der Schweiz zahlten wir da im hippen Café gut 5 CHF für einen Cappucino und ein Abendessen war ebenfalls mit Schweizer Preisen zu vergleichen. Einzig, mit einer ausländischen Kreditkarte zu zahlen lohnt sich, denn in Restaurants gibt es geschlagene 22% Rabatt aufs Total der Rechnung.

 

Trotz oder gerade wegen all den Unterschieden; Südamerika hat es uns angetan und wir bereuen keine Sekunde, dass wir hier fast die Hälfte unserer Reise verbracht haben.