Route 66

Wie das Leben für digitale Nomaden aussieht, ist für viele Menschen immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Während die einen denken, wir verbringen unser Jahr im Dauerurlaub auf dem Liegestuhl, fragen andere nach Vorbereitungstipps, um selbst einfacher in das digitale Nomaden-Leben zu starten. Es macht uns grosse Freude, unsere Erfahrungen weiterzugeben und auch anderen Menschen bei der Entscheidung zu einem selbstbestimmten Alltag zu verhelfen. Die interessantesten und die am häufigsten gestellten Fragen, haben wir hier zusammengetragen und beantwortet.

1. Welche Gründe waren für euch ausschlaggebend, aus dem «sicheren» Alltagstrott auszubrechen?

Zum einen die Möglichkeit, dass Manuel seinen Job im Teilzeit-Pensum weiterführen konnte und andererseits, weil wir die Möglichkeit sahen, die Welt auf unbestimmte Zeit zu entdecken, ohne dabei jeden Rappen umdrehen zu müssen. Wir wollten uns weiterentwickeln und auch aus der Routine zuhause ausbrechen. Nicht, dass wir mit unserem Leben oder der Arbeit in der Schweiz nicht zufrieden gewesen wären, aber es war für uns eine Möglichkeit, weg von „nine-to-five“ hin zu einem selbstbestimmten Alltag. Diese Vorstellung reizte uns extrem. Unser Motto, damals wie heute: wenn nicht jetzt, wann dann? Time is now! Die Voraussetzungen für ein solches Reiseprojekt hätte nicht besser sein können: knapp 30 Jahre alt, noch keine eigene Familie/Haustier/Einfamilienhaus, eine gute Ausbildung und Berufserfahrungen im Sack – für uns gab es nur wenige Gründe, die hätten dagegen sprechen können. Kompromisse einzugehen gehörte bereits bei dieser Entscheidung dazu und begleitet uns auch weiterhin auf der Reise – wenn nicht sowieso für den Rest des Lebens.

2. Was war eure grösste Angst?

Anfangs war unsere grösste Angst, dass unser Laptop gestohlen wird oder den Geist aufgibt. Davon blieben wir bis jetzt glücklicherweise verschont, haben aber auch schon öfters die sicherere Variante einer Option gewählt. Weiter hatten wir Bedenken, dass wir aufgrund unserer Arbeit und dem wenig typischen Reisealltag wenig Leute kennenlernen und uns einsam fühlen. Tatsächlich lernen wir weit weniger Leute kennen, als Anfangs erhofft, haben aber gelernt, alleine und gemeinsam die Reise zu geniessen. Jede Freundschaft und Begegnung die entsteht, schätzen wir umso mehr und füllt unseren Reiserucksack mit noch mehr Geschichten. Ansonsten haben wir nicht andere «Ängste», als normal Reisende. Wir sind ziemlich gut abgesichert und können jederzeit wieder nach Hause. Unsere Existenz haben wir mit dem Projekt nicht aufs Spiel gesetzt.

3. Wie habt ihr euch auf die Reise vorbereitet?

Die Zeit für die Vorbereitung sollte nicht unterschätzt werden. Neben administrativen Aufgaben, mussten wir auch unser Umfeld frühzeitig informieren und uns selbst mental auf diese neue Lebensform vorbereiten. Unsere Wohnung wollten wir untervermieten, was wir auch tatsächlich geschafft haben (sogar zweimal, ohne dass wir deswegen nachhause kommen mussten). Die Vorstellung, zurück zu kommen und in unsere geliebte Wohnung zurück zu kehren, beruhigte uns. Mit der Gemeinde mussten wir abklären, ob es Sinn macht, sich abzumelden (machte es für uns nicht). Mit den Versicherungen mussten wir schauen, wie wir abgedeckt sind und was es noch braucht (so einiges). Bei der Arbeit mussten wir frühzeitig Bescheid geben und kündigen (Daniela) bzw. nach Möglichkeiten für eine Weiterführung der Arbeit fragen (Manu, 50%), den Sportverein informieren, dass man die nächste Saison ausfällt, letzte Treffen planen und zum Schluss ein gemeinsames Abschiedsfest organisieren, da wir damals noch nicht wussten, wann wir unsere Freunde und Familie wiedersehen würden.

4. Was war bis jetzt das schönste Erlebnis, der schönste Ort?

Das ist wirklich schwer zu sagen und wir finden die ganze Reise als Gesamtes bis jetzt sehr gelungen. Jeder Ort hatte etwas Einzigartiges und es gab Orte, die uns besser gefielen und Orte, die das weniger taten. Grundsätzlich haben wir uns meistens da sehr wohl gefühlt, wo wir einfach zu guter Infrastruktur gekommen sind, gekoppelt mit Sonnenschein, der Nähe zum Wasser und Natur und ein paar coolen Cafés. Wie zum Beispiel in Wellington (NZ), Big Island (Hawaii), Vancouver (CA), San Francisco (US), Santa Teresa (CR). Am interessantesten war bis jetzt die gesamte Reise durch Japan, aus dem einfacher Grund, dass die Kultur sich am meisten zur Schweiz unterschieden hat. Wir waren fasziniert und überrascht über die Freundlichkeit, die Sauberkeit und Organisiertheit dieses Volkes – und auch über die skurrilen und abgefahrenen Seiten (z.Bsp. Idols Show in Tokio). Wir lieben den Mix aus Natur und Stadt. Wenn wir ein paar Wochen in der Natur unterwegs waren, können wir es jeweils kaum erwarten, durch die Strassen einer grösseren Stadt zu schlendern. Das gleiche gilt umgekehrt. Das Privileg zu haben, die Welt zu sehen und nebenbei noch zu arbeiten, ist für uns eigentlich das Schönste dieser Reise. Wir sind uns dessen sehr bewusst und versuchen jeden Moment zu geniessen.

5. Findet ihr, man sollte besser zu zweit reisen? Geht ihr euch nie auf die Nerven?

Wir würden nicht sagen, dass das eine besser als das andere ist. Fest steht für uns, dass es eine ganz andere Art der Reise ist, ob man als Paar oder als Alleinreisende/r unterwegs ist. Es gibt ganz klare Vor- und Nachteile. Einerseits erleichtert eine Reise zu zweit die Planung, da Aufgaben aufgeteilt werden können. Zudem teilt man die Freude und das ist bekanntlich das einzige, was beim Teilen verdoppelt wird ?. Zu zweit reisen bedeutet aber auch, Kompromisse eingehen, weniger Leute kennenlernen, weniger Risiken eingehen und dabei vielleicht auch weniger verrückte Sachen erleben. Wir kennen nicht viele Paare, die gemeinsam reisen und beide die Möglichkeit haben, von unterwegs zu arbeiten.Wir gehen uns natürlich ab und zu auf die Nerven, jedoch nicht mehr als zuhause – im Gegenteil. Wir sind viel gelassener und toleranter uns gegenüber geworden und haben ähnliche Ansprüche an einen Ort.

6. Was vermisst du/ihr am meisten von eurem Leben in der Schweiz?

Am meisten vermissen wir wohl die Struktur und Routine. In unserem eigenen Bett aufzuwachen, Frühstück in der Lieblings Bäckerei holen, mit Arbeitskollegen über das vergangene Wochenende reden, abends im Verein Korbball spielen. Manchmal wünschen wir Freunde und Familie für ein Wochenende hierher, damit wir wieder einmal alle sehen und hören, was gerade bei jedem läuft. Materielles vermissen wir nicht besonders, denn wir reisen mit allem was wir brauchen und haben jederzeit die Möglichkeit, etwas zu kaufen, sollte uns was fehlen. Natürlich wünschen wir uns öfters das leckere Essen in der Schweiz zur Verfügung zu haben: frisches Brot, ein Raclette, Reibkäse und die unglaubliche Auswahl an frischem Gemüse und Früchte im Laden.

7. Habt ihr euch seit dem Start als digitale Nomaden verändert?

Wir finden, dass wir uns zum positiven verändert haben. Zu zweit fällt einem die Veränderung des anderen eher auf, als wenn man längere Zeit alleine reist. Einerseits fühlen wir uns ruhiger, gelassener und sind deutlich reflektierter. Wir beschäftigen uns viel intensiver mit uns selbst und aktuellen/globalen Themen, als zu Hause. Wir versuchen dem Leben positiver entgegen zu blicken, wissen dass eh alles anders kommt, als man es plant und versuchen daraus unsere Lehren zu ziehen. Wir sind dankbarer geworden und haben kein Bedürfnis anderen zu zeigen, wie toll wir sind, dass wir die Welt sehen. Auch wenn wir unsere Eindrücke natürlich gerne auf Social Media mit den Daheimgebliebenen teilen. Es ist uns bewusst geworden, dass ein solches Erlebnis vielen nicht möglich ist und wir ein absolutes Privileg leben. Wir machen uns viele Gedanken darüber, was für uns wirklich zählt im Leben, für was wir dankbar sind und was uns glücklich macht.