Die Umweltdebatte und der damit zusammenhängende Klimawandel ist so aktuell wie selten zuvor. Wälder brennen rund um den Globus, Unwetter in nie dagewesenen Stärken fegen über die Länder, Überschwemmungen biblischen Ausmasses. Und die mittel- bis langfristigen Prognosen zeichnen ebenfalls ein düsteres Bild, wenn der CO2-Ausstoss nicht sofort und drastisch reduziert wird. Und wir fliegen hier als digitale Nomaden (könnten ja auch im Büro zu Hause arbeiten!) rund um die Welt und möchten ein Exempel für diesen Lebensstil statuieren. Wie können wir die unzähligen Flüge, die wir der Umwelt antun, mit unserem Gewissen vereinbaren oder gar rechtfertigen? Eigentlich gar nicht. Wir könnten sagen, dass wir ja zu Hause kein Auto haben und nur mit dem ÖV oder dem Velo unterwegs sind. Wir könnten sagen, dass wir bei den Produkten, die wir kaufen, wenn möglich darauf achten, dass sie regional sind und nicht zuerst um die halbe Welt geschifft wurden, bevor sie auf unserem Teller landen. Wir könnten sagen, dass wir ja unseren Abfall fein säuberlich trennen und nicht in den Fluss werfen. Wir könnten sagen, dass wir als Daniela und Manuel die Welt eh nicht retten können, sollen doch mal die Politiker und die Wirtschaft als Vorbilder vorausgehen und handeln. Und überhaupt, was sollen wir als kleine Schweiz denn schon bewirken, solange in China oder Indien tausende Kohlekraftwerke die Luft gnadenlos verpesten? Solche Ausreden bringen der Umwelt nichts, dienen lediglich der persönlichen und moralischen Rechtfertigung und sind in keinem Masse eine Entschuldigung dafür, trotzig die Verantwortung auf andere abzuschieben. Seien wir mal ehrlich; wer verzichtet aus tiefster Motivation und Sorge um die Umwelt auf eine Städtereise nach London? Ein Entscheid dagegen hat wohl andere Gründe (teure Flüge, schlechtes Wetter, keine Lust).  Die Umweltproblematik ist uns sehr bewusst und wir tragen zwar einen kleinen Beitrag für eine bessere Zukunft bei (Beispiele oben) – aber eben nur dort, wo es uns nicht schmerzt und wir auf nichts verzichten müssen. Sobald die persönlichen Bedürfnisse grösser sind, als die Sorge um die Umwelt, macht man halt «mal eine Ausnahme» – eine Reise um die Welt. Andere machen das ja auch. Wie inkonsequent und egoistisch.

Wie gehen wir persönlich mit diesem Interessenskonflikt um? Wie gesagt; unsere zahlreichen Flüge und die damit zusammenhängende Luftverpestung können wir nicht mehr ungeschehen machen. Trotzdem beschäftigt uns das Thema. Als positiven Effekt könnte man herbeiziehen, dass wir auf unserer Reise extrem auf die Umwelt-Thematik sensibilisiert wurden. Wir diskutieren die Aspekte häufig, hören Podcasts zum Thema, sehen täglich Missstände, die uns auffallen. Der endlose Plastikmüll an den Stränden, ein hemmungsloser Umgang mit Plastiksäcken in den Supermärkten, V8-Pick-Ups in den USA so weit das Auge reicht.

Den von weitem wunderschönen weissen Sandstrand in Santa Teresa (CR) säumen bei genauerem Hinschauen unzählige, kleinste Plastikteilchen.

Was wir sehen, macht uns nachdenklich. Wir versuchen im Kleinen, unseren Beitrag dazu zu leisten – auch wenn dies natürlich in keinem Verhältnis zu den Flügen steht. Unsere auffüllbare Trinkflasche ist unser treuer Begleiter, einkaufen gehen wir stets mit unserem mitgebrachten Stoffsack und Fleisch essen wir eher selten. Wenn wir ein Auto mieten, dann immer das kleinste (Eco). Aber schon sind wir wieder am Anfang; ganz verzichten möchte man nicht, sondern wäscht sein Gewissen damit rein, dass man die Umwelt ja nicht so schlimm verpestet, wie der, der einen Pick-Up fährt und wir somit sozusagen ja etwas Gutes für die Umwelt tun. Ja, das ist scheinheilig.

Solange Reisen weiterhin als etwas Erstrebenswertes betrachtet und von der Gesellschaft bewundert wird, hat man beim Fliegen in ferne Länder kein schlechtes Gewissen. Im Gegenteil; das Selfie vor den Niagarafällen erzielt ein vielfaches mehr an Likes als ein langweiliges Bild vom Rheinfall – schon ist die Umwelt vergessen und man wird im Reisen bestätigt. Wenn’s alle toll finden, kann’s ja nicht so schlimm sein. Es muss ein Umdenken stattfinden. (Welt)reisenden sollte viel öfter der Spiegel vorgehalten werden und Fotos auf den sozialen Medien nicht nur mit «Wow, wie toll» kommentiert, sondern kritisch hinterfragt oder gar kritisiert werden: «eigentlich finde ich euer Unterfangen ziemlich egoistisch. Ihr fliegt um die Welt, während wir hier versuchen, im Kleinen die Umwelt zu retten?!». Auch wenn man das nicht gerne liest oder hört, solche Kommentare würden zum Denken anregen und vielleicht weniger Nachahmer finden. Man überlegt sich beim nächsten Mal vielleicht zweimal, ob man jetzt wirklich mit dem Flieger für ein Wochenende nach Paris reisen soll. Wenn Reisende mehr Missgunst als Bewunderung erhalten, kann vielleicht ein Wandel stattfinden.

Ob wir uns nicht schämen, sorglos einmal um die Welt zu fliegen und gleichzeitig noch die Frechheit haben, mit unseren Fotos vom Mount Fuji oder dem Opernhaus in Sydney anzugeben? Doch, eigentlich schon. Und jetzt kommt wieder das «Aber»: Aber wir versuchen mit unserem Projekt (im Extremen) aufzuzeigen, dass man nicht zwingend an einen fixen Arbeitsplatz gebunden ist und die Mobilität, die ein grosser Teil zum CO2-Ausstoss beitragt, reduziert werden könnte. Der tägliche Verkehr könnte minimiert werden, wenn Homeoffice salonfähiger wird oder man vom Coworking-Space seiner Stadt arbeitet, statt täglich 2 Stunden im Auto zu sitzen und zur Arbeit zu fahren. Wir könnten das ja auch aufzeigen, indem wir von einer Hütte auf der Blüemlisalp aus arbeiten. Aber dann müssten wir ja darauf verzichten, die Welt zu sehen. Getreu dem Motto: Sollen doch andere zur Umwelt schauen….

_

Dieser interessante INPUT-Podcast von SRF3 hat uns wachgerüttelt und zum Nachdenken angeregt.