Dass wir eine Kreuzfahrt als Teil unserer Weltreise machen würden, hätten wir Anfangs nie gedacht. Alle unsere Reisen – auch vor dem grossen Digitalen-Nomaden-Projekt – waren stets individuell organisiert und spontan geplant. Wir liebten es, jeweils ins lokale Leben eines neuen Landes einzutauchen, viel Zeit zu haben und möglichst nicht also Touristen erkannt zu werden. Dass wir dann ausgerechnet eine Kreuzfahrt buchten, hatte verschiedene Gründe:

Einerseits verbringen Danielas Vater und ihre Stiefmutter seit vielen Jahren ihren Urlaub auf verschiedenen Schiffen und erzählen uns jeweils begeistert von ihren Erlebnissen. Andererseits faszinierten uns diese Meeresriesen seit wir in Auckland – und später an vielen weiteren Destinationen – die Kreuzfahrtschiffe von aussen bestaunen konnten. So gerne wollten wir einmal kurz reinschauen, wie es drinnen aussieht. Die Vorstellung, in einem Bett zu liegen und am nächsten Morgen an einem anderen Ort aufzuwachen, war für uns sehr reizvoll. Der ausschlaggebende Grund gab aber der Vortrag «Weit», wo das junge Paar nach ihrer dreijährigen Reise um die Welt, auf der sie nie einen Flieger bestiegen, das Kreuzfahrtschiff nutzten, um von Mexiko nach Europa zu gelangen. Die sogenannten «Repositioning Cruises» nehmen zwei Mal pro Jahr die Atlantiküberquerung auf sich, um die Sommersaisons in Europa bzw. in Südamerika und der Karibik zu verbringen. Diese speziellen Überfahrten kosten nur etwa die Hälfte des normalen Preises. So buchten wir also bereits im September unsere Balkonkabine auf der MSC Orchestra. 2300 Dollars (inkl. 300 Dollars Taxen) pro Person kostete die 16-tägige Überfahrt von Buenos Aires nach Barcelona. Dies beinhaltete neben der luxuriösen Kabine mit Balkon auch das Essen – Frühstück, Abendessen und das ganztägige Buffet. Getränke, Ausflüge und Trinkgelder mussten hingegen zusätzlich bezahlt werden. Die Innenkabine kostete übrigens ca. 1300 Dollars pro Person – auf ein Fenster mit Tageslicht muss man da jedoch verzichten.

Da wir nicht direkt über die MSC-Website, sondern von einem amerikanischen Angebot der Firma «Vacations to go» profitierten, war das Online-Check-In nicht möglich. Das sei aber kein Problem, sagte man uns bei der Buchungsagentur und wies uns darauf hin, dass wir am Hafen einfach den Check-In-Schalter aufsuchen sollten. Bereits um 11 Uhr mussten wir aus dem Airbnb auschecken – entschieden uns aber trotzdem schon zum Hafen zu fahren, obwohl das Schiff erst um 19 Uhr ablegte. Ohne weitere Infos zur Kreuzfahrt nahmen wir am Samstag 6. April das UBER und liessen uns zur angegebenen Adresse beim Terminal führen. Da angekommen traf uns kurzerhand der Schlag, denn bereits jetzt – um kurz vor 12 Uhr mittags – schienen sich hunderte, ja tausende Passagiere in der Schlange einzureihen. Alle mit Kofferplaketten und ganzen Dokumentmappen in der Hand. Wir als vollkommene Kreuzfahrtneulinge waren etwas verwirrt und überfordert.

«Entschuldigen Sie, wo ist denn hier der Check-In?»

– «Zuerst müssen Sie die Koffer abgeben und erst im dritten Schritt erfolgt das Check-In».

«Aha, und wo bekommen wir die Koffer-Tags her?»

-«Wie, die haben Sie nicht? Dann müssen Sie sich trotzdem einreihen und werden diese dann ganz vorne bekommen».

Gepäck
Ganz verstanden haben wir es nicht, aber so reihten wir uns als also ganz weit hinten ein, inmitten der gestressten Urlauber. Bereits jetzt dominierte die spanische Sprache und zwischendurch fanden sich ein paar verwirrte Chinesen, die ebenfalls ohne Koffer-Tags herumstanden und nicht wussten, wie sie das Chaos einzuordnen hätten. Die MSC Crew, die vergebens versuchte, Ordnung reinzubringen, indem sie die Passagiere aus allen Richtungen versuchten in eine Reihe zu zwängen, war bald auch sichtlich genervt. «Na das fängt ja gut an» dachten wir uns, vertrauten aber auf unsere Erfahrung, dass noch immer alles gut gekommen ist. Kaum bei der ersten Kontrolle angekommen, wurden wir wie angekündigt aus der Reihe genommen und uns wurden Koffer-Tags versprochen.

«Ihre Kabinennummer, bitte?» Meinte die Dame bestimmt.

«Wie meinen Sie das? Wir haben ja wie gesagt noch nicht einchecken können, deshalb haben wir keine». Sagten wir etwas unruhig.

«Doch, jeder hat schon eine Kabinennummer! Warten Sie kurz, ich hole eine Liste.» Nach mehreren Minuten kehrte die Dame zurück und blätterte die Passagierliste durch. «Christen? Ja, da haben wir Sie. Kabine 10164.»

Die Koffer also dem freundlichen Mann in die Hand gedrückt und weiter zur ersten (von etwa fünf) Pass- oder sonstigen Kontrollen. «Ihr Ticket bitte» meinte der sichtlich gestresste MSC Mann. Wir hielten unseren Screenshot der Buchungsbestätigung von «Vacations to go» hin. «Ich kann die Kabinen-Kategorie auf der Bestätigung nicht finden! Macht nichts, hier Ihre Wartenummer». Mit Nummer 32 in der Hand traten wir in den Wartesaal. Mindestens 2000 weitere Passagiere besetzten hier bereits alle Stühle, reihten sich irgendwo ein oder wühlten sich durch die überteuerten Souvenirstände. Als nach einer halben Stunde Wartezeit erst die Nummern 7 und 8 aufgerufen wurden, setzten wir uns ins Café und assen erst mal was zu Mittag. Wenn wir eines gelernt haben, dann dass sich aufreibende Situationen mit einem gesättigten Magen besser ertragen lassen.

Nach gut drei Stunden Wartezeit ertönte endlich «Nummer 32» aus den Lautsprechern. Noch einmal das Handgepäck durch die Scanner geben, beim offiziellen Check-In unsere Pässe vorzeigen und ohne Probleme die Passkontrolle passieren. Übrigens war es beim Check-In kein Problem, dass wir keine offiziellen Tickets hatten und die nette Dame konnte aufgrund unserer Pässe alle wichtigen Details ausfindig machen. Kaum aus dem Gebäude raus, entdeckten wir das erste Mal unser Schiff. Majestätisch stand die MSC Orchestra da, zwischen all den farbigen Containern und unsere Vorfreude stieg ins Unermessliche.

Die MSC Orchestra zum 1. Mal sehen

Der Transferbus brachte uns direkt vom Terminal zum Eingang und dann standen wir plötzlich neben diesem riesigen, 294m langen Schiff, welches uns nach Hause bringen sollte. Fast unglaublich, dass ein Objekt dieser Grösse auf dem Wasser schwimmen kann. Ab da ging alles ruckzuck. Kaum im Schiff wurden wir von der MSC Crew herzlich willkommen geheissen, die Pässe wurden uns abgenommen und der Willkommensdrink stand ebenfalls gekühlt bereit. Doch nicht lange hielten wir es in der Lounge aus – wir wollten unser Zimmer sehen! Vier Stockwerke mit dem Lift hochgefahren und einmal den Gang runter und dann standen wir vor der 10164. Die Türen standen alle offen, denn den Zimmerschlüssel bekommt man nicht etwa beim Einchecken, dieser liegt auf dem Bett bereit. Wir waren positiv überrascht von der Grösse und Gemütlichkeit des Zimmers. In unseren schmucken Balkon mit Blick auf den Atlantik verliebten wir uns auf den ersten Blick. Nach vier Wochen im lauten, hektischen Buenos Aires, wo wir kaum eine Nacht durchschlafen konnten, weil der Verkehr, schreiende Nachbarn oder die Müllabfuhr uns wach hielten, war uns gleich klar, dass wir in diesem Zimmer wie Könige schlafen werden. Und so sollte es auch sein. Die Koffer wurden uns übrigens direkt bis zum Zimmer gebracht und so verstauten wir innert Kürze all unsere Kleider und Sachen in den vielen Ablagemöglichkeiten.

Balkonkabine

Jetzt wollten wir aber das Deck sehen, denn schon bald stand die Abfahrt bevor! Zwei Pools und Unmengen an Liegemöglichkeiten sorgen auf Deck für Erholung und ein Gefühl von Freiheit. Ständig ist irgendwo Wasser zu sehen und so fühlte es sich oft an, als liegen wir am Strand. Die Abfahrt von Buenos Aires war magisch. Kaum ertönte das Schiffshorn, legte sich die Sonne hinter die Skyline und erleuchtete die ganze Stadt in einem warmen orange. Wir werden auf jeden Fall wiederkommen!

Da waren wir also, mitten auf einem Kreuzfahrtschiff. Mit 2500 anderen Passagieren, die mit uns den Atlantik überqueren wollten. Die meisten davon erfahrene Kreuzfahrer und fast alle aus Argentinien. Nur 90 deutschsprachige Gäste befanden sich auf dem Schiff, was unseren Lateinamerika-Aufenthalt somit nochmals um 2 Wochen verlängerte. Spanisch war während der ganzen Fahrt nicht nur am Buffet die Hauptsprache, sondern auch bei den Shows, Spielen und den Essenszeiten dominierten die argentinische Art.

Anzahl Personen an Bord

Die insgesamt 11 Tage auf See verbrachten wir mit Ausschlafen, dem Gestalten und fertig schreiben unseres Buches, Sport, jede Menge Essen und wenn es das Wetter zuliess; sonnenbaden und lesen auf Deck. Abends besuchten wir fast immer die Show um 22 Uhr und waren begeistert von den professionellen Tänzern und Sängern. Täglich gab es mehrere Aktivitäten, die für jeden Geschmack etwas dabeihatten. Zum Beispiel ein Vortrag über eine Destination, die wir gerade ansteuerten, Fussball auf dem Deck, Origami-Kurse, ein Spanisch- oder Tangokurs, viele Sport- und Tanzeinheiten, Spiele mit den Animateuren oder eine Bibliothek, die nicht nur viele Bücher anbot, sondern auch täglich neue Sudoku-Spiele. Meist vergingen die Tage so schnell, dass wir kaum Zeit hatten, das Buch aufzuschlagen.


Auf der Fahrt Richtung Norden besuchten wir während je eines Tages (bzw. 8 Stunden) Rio de Janeiro und Salvador de Bahia – beides in Brasilien gelegen.

Wie schon öfters auf dieser Reise erlebten wir auch in Rio dieses «einmalige» Wetterphänomen. Ein Unwettersturm, wie es ihn seit über 20 Jahren nicht mehr gegeben hatte, wütete genau heute in der Grossstadt. Mindestens 10 Menschen sterben, wie wir etwas später erfahren. Innerhalb vier Stunden fällt so viel Regen, wie sonst im gesamten Monat April. Im Gegensatz zu allen anderen besuchten Destinationen, hatten wir hier aber nicht mehrere Tage, um die Stadt nochmals bei schönem Wetter zu erkunden. Ein paar wenige Stunden mussten für einen ersten Eindruck reichen.

Die Strassen waren teilweise komplett überschwemmt, so dass wir nach dem Mittagessen mit einem Freund von Manuel frühzeitig aufbrechen mussten, damit wir auch pünktlich zum Schiff zurückkamen. Leider konnten wir auch die Christus-Statue nicht sehen, da diese komplett vom Nebel umhüllt war. Immerhin zeigte sich der Zuckerhut bei der Abfahrt im schönen Abendlicht.

 

In Salvador de Bahia buchten wir unseren ersten geführten Landausflug und wurden während mehreren Stunden von Kirche zu Kirche gefahren und besuchten mehrheitlich Souvenir-Shops. Auch da begann es nach kurzer Zeit sintflutartig zu regnen. Die Regenjacke hatten wir vorher noch optimistisch auf dem Schiff gelassen.

Danach hiess es erstmal «Adieu Festland», denn wir sollten die bevorstehenden 6 Tage nur Wasser und Horizont zu sehen bekommen.

Dann endlich wieder Land in Sicht. Teneriffa begeisterte uns mit seinen imposanten grünen Hügeln. Die Stadt Santa Cruz war hingegen nicht wirklich sehenswert.

Malaga war der letzte Stopp unserer Kreuzfahrtreise, bevor wir zwei Tage später in Barcelona auf Danielas Familie trafen. Sich nach 15 Monaten endlich wieder in die Arme schliessen – wie sehr hätten wir uns manchmal Familie und Freunde an den aktuellen Ort gewünscht. Jetzt endlich sahen wir uns wieder.

 

Familie in Barcelona

Fazit unserer ersten Kreuzfahrt: Während Wochen in einem gemütlichen Bett schlafen, an vielen verschiedenen Orten an Land gehen, zu jeder Zeit leckeres Essen und tolle Shows geniessen. Die Vorzüge einer Kreuzfahrt liegen auf der Hand. Für uns war der luxuriöse Abschluss der Reise neben einem unglaublich tollen Erlebnis per se auch ein praktisches Unterfangen, denn nicht der Weg war das vordergründige Ziel, wie es für ein Grossteil der Kreuzfahrer ist, sondern das Reiseziel Barcelona und die Rückkehr nach Europa hatten wir stets vor Augen. Dass man während den wenigen Stunden eines Landausfluges nur bedingt die Chance hat, sich ein Urteil über die besuchte Destination zu bilden und man ausser Restaurants, Souvenirshops und ein, zwei Aussichtspunkten wenig sieht, war uns bewusst. Als Ferienart würden wir in längerfristiger Zukunft keine Kreuzfahrt mehr unternehmen, zu gross schlummert der Drang nach Entdecken und Erleben eines Landes in uns. Hinzu kommt der ökologische Aspekt und die Tatsache, dass sich natürlich sehr viele Menschen während langer Zeit auf engem Raum gemeinsam aufhalten und ein ruhiger Rückzugsort eigentlich nur das Zimmer bietet. Die Kreuzfahrt war aber zweifelsohne ein unvergessliches Erlebnis, das wir nicht missen möchten und die perfekte Art, langsam und gemächlich zurück zu kehren.