Mal ganz grundsätzlich ist jeder Mensch und jede Paarbeziehung individuell. Wir wollen hier keine allgemeingültigen Beziehungstipps abgeben und auch nicht für Trennungen verantwortlich gemacht werden, weil unsere Art zu reisen nicht für alle geklappt hat :). Da jeder Mensch – vor allem aber Mann und Frau – ganz unterschiedlich denkt und handelt, geben wir euch in diesem Blogbeitrag eine Einsicht in das Leben als Freund (Manuel) und als Freundin (Daniela) auf gemeinsamer Weltreise über viele Monate als digitale Nomaden. Wir haben die Antworten bewusst nicht aufeinander abgestimmt und jeder hat diese individuell verfasst. 

24/7 zusammen – nervt ihr euch nicht gegenseitig?

Daniela: Unsere Beziehung hat vor 4 Jahren damit begonnen, dass ich in Luzern lebte und Manuel in Schaffhausen. Gesehen haben wir uns anfangs nur sehr selten. Mit zwei vollen Terminkalendern mussten Treffen immer weit vorausgeplant werden. Die erste gemeinsame Wohnung erweiterten wir um ein WG-Zimmer in Zürich, damit ich meinen damaligen Job in Zug weiterführen konnte. Erst 10 Monate vor Abreise wohnten wir schlussendlich ganz zusammen, wenn auch einerseits der Job in Zürich und andererseits die vielen Hobbies von Manuel dazu führten, dass wir uns jeweils erst spät abends im Bett «Hallo» sagen konnten. Auf dieser gemeinsamen Reise schätze ich genau das: viele Stunden zusammen. Momente, die wir bewusst und gemeinsam erleben und über die wir noch viele Jahre lachen und staunen werden. Wenn ich mich dennoch mal genervt fühle, versuche ich aus der Situation zu treten, buche mir eine Yoga-Stunde oder verabschiede mich für ein paar Stunden in die Wohnung, für einen Spaziergang oder skype mit Freundinnen. Kaum weg, freue ich mich bereits wieder auf die gemeinsam Zeit.

Manuel: So viel Zeit wie wir in den vergangenen 10 Monate miteinander verbracht haben, verbringen andere Paare vermutlich in 5 Jahren. Wir sind in der Tat 24 Stunden zusammen – abgesehen von Einzelunternehmungen wie Yoga, Biken, shoppen, usw. Wobei man dieses «24/7» natürlich auch relativieren muss: Klar sind wir räumlich meistens zusammen, geistig jedoch verbringen wir einen grossen Teil des Tages getrennt. Ich gehe meiner Arbeit nach, Daniela ihren Projekten. Wir nerven uns nicht mehr, als zu Hause. Eher weniger, da wir ein gemeinsames Abenteuer erleben, die gleichen Ziele vor Augen haben und jeden Tag so viel erleben, das uns Freude bereitet. Auch da wir eine gewisse Alltagsroutine und in etwa die gleichen Ansprüche an die Reise haben, klappt das wunderbar. Nicht jeder Schritt muss diskutiert werden. Wenn Daniela zum Beispiel die AirBnBs bucht, gebe ich dazu nicht meinen Senf ab und vertraue ihr. Wo wir uns am meisten nerven, ist vermutlich beim Autofahren (wenn wir zum Beispiel «hinter dem Bus» rechts abbiegen komplett anders interpretieren – und das jedes mal ;-).

Was redet ihr den ganzen Tag? Schweigt ihr euch im Restaurant auch an, wie diese alten Ehepaare?

Daniela: Manchmal merken wir, dass wir uns gegenseitig nicht gleich intensiv zuhören, wie wir das Abends zuhause nach einem spannenden Tag in der Arbeit machen. Oft schauen wir gleichzeitig aufs Handy, aus dem Fenster oder versuchen gerade, dieses eine spanische Strassenschild zu entziffern. Das Gefühl von «der andere ist ja immer da» kann auch dazu führen, dass wichtige Aussagen zu wenig ernst genommen werden, weil wir uns den grössten Teil des Tages darüber unterhalten, wo wir heute hinfahren, was wir essen wollen oder wie der Wifi Code richtig eingegeben wird. Wenn dann Gefühle ausgedrückt werden, kann das auch mal untergehen und verletzen. In Ländern wo wir mit einem Mietauto unterwegs sind, hören wir uns gerne Podcasts und Hörbücher an. Für uns die beste Möglichkeit uns nicht nur selbst weiterzubilden, sondern auch Gesprächsstoff für ein Abendessen zu zweit zu generieren. Wir machen uns gerne Gedanken über Gehörtes, versuchen uns gemeinsam in Situationen zu versetzen und Themen auf unser Leben umzuwälzen.

Manuel: Ja, bis auf «en guete», «wie isch ’s Esse?» und «wemer endlich zahle?» sprechen wir während dem Abendessen im Restaurant eigentlich nicht. Nein, natürlich nicht (obwohl ich nicht immer der gesprächigste Partner für Daniela bin:). Klar gibt es Situationen, wo uns der Gesprächsstoff ausgeht. Man kann sich ja nicht zum 10ten mal darüber unterhalten, wieso Frauen keinen Militärdienst leisten müssen oder sich hinterfragen, wieso wohl jeder zweite Tourist Deutscher ist. Dann darf man auch mal 2 Minuten nichts sagen und Leute oder Tiere beobachten. Ansonsten reden wir über alltägliche Dinge. Sachen, die wir sehen oder uns am Land auffallen. Über unsere Arbeit, viel aber auch über unser Projekt (zum Beispiel das Buch, das wir schreiben werden). Ab und zu philosophieren wir auch über Themen wie «Wie wird die Arbeitswelt in 10-15 Jahren aussehen» oder «wieso gibt es immer noch dieses veraltete 42-Stunden-Woche-Arbeitsmodell?». Auch Themen wie unsere jetzige Lebens- und Arbeitsweise besprechen wir oft.

Was schätzt ihr an der gemeinsamen Zeit?

Daniela: Ich schätze es sehr, beim Abendessen noch eine Weile zu sitzen, Themen zu besprechen, die einem beschäftigen. Sich die Zeit dafür zu nehmen, ohne gleich ins Training springen zu müssen oder den Blockbuster schauen zu gehen.
Zu zweit kann man sich besser an Erlebtes erinnern. Wir versuchen uns oft Situationen oder Ortschaften in Erinnerung zu rufen, die bereits einige Monate her sind. Unsere Gehirne ergänzen sich dabei wunderbar und so kommen Erinnerungen aufgrund der Beschreibung des anderen hoch, die sonst für immer verloren gewesen wären. Sowieso ist das geteilte Glück und Erlebte auf dieser Reise wunderbar. Oft passieren uns Sachen, wenn niemand sonst um uns herum ist. Mit wem sonst, könnte man diese Erinnerung ein Leben lang teilen?

Manuel: Wir verstehen und mittlerweile fast blind, was sehr angenehm und nervenschonend ist. Es ist schön, dass wir eine solche Reise gemeinsam erleben dürfen und die schönen Momente teilen können. Dies hat mir auf meinen zwei grösseren Reisen, die ich alleine gemacht habe, gefehlt. Die gemeinsame Zeit gibt einem Vertrauen und man fühlt sich verstanden (meistens), wenn man sich über etwas nervt.

Wie macht ihr das, wenn ihr fünf Wochen getrennt seid?

Daniela: Für mich war der Gedanke daran fast unerträglich. Obwohl hier angefügt werden muss, dass das Ganze auf meiner Idee basiert. Bereits vor der Reise schlug ich vor, ein paar Wochen getrennt zu reisen, um nach dieser gemeinsamen intensiven Zeit auch wieder etwas frischen Wind in unser gemeinsames Abenteuer zu bringen. Dass wir nun tatsächlich fünf Wochen physisch getrennt sein werden und zudem ich diejenige bin, die Weihnachten nicht zuhause mit der Familie verbringt, bricht mir schon das Herz. Dennoch bin ich überzeugt, dass diese Zeit nicht nur jedem von uns, sondern auch als Paar gut tut. Umso intensiver wird der letzte Teil der Reise werden, der sonst nach diesen vielen Highlights im 2018 vielleicht zu wenig Würdigung erfahren hätte.

Manuel: Endlich alleine im Bett schlafen! Spass beiseite: es kommen schon gemischte Gefühle auf. So lange waren wir noch nie getrennt. Vor allem zum jetzigen Zeitpunkt, wo wir 10 Monate auf Schritt und Tritt gemeinsam unterwegs waren, wird das eine ganz extreme Umstellung. Die ersten Tage werden vermutlich die Schlimmsten. Da diese fünf Wochen aber absehbar sind und wir ja nicht den Kontakt abbrechen, werden wir auch diese Zeit überstehen. Vermutlich wird uns diese «Trennung auf Zeit» sogar gut tun und wir können uns wieder umso mehr aufeinander freuen.